Experience Management: Die ernüchternde Wahrheit über Kundenentscheidungen

Anika Scheiber |
2. Februar 2022 |

Was haben Dirk Rossmann, die Schadensabteilung einer Versicherung und ein E-Scooter Vermieter gemeinsam?

Auf den ersten Blick sind keine Gemeinsamkeiten festzustellen. Aber gibt es doch eine?

Diese Frage kann klar mit »Ja« beantwortet werden. Alle drei wollen ihren individuellen Unternehmenserfolg erreichen und sind dabei von ihren Kunden abhängig: Was kauft der Kunde ein? Melden die Kunden wahrheitsgemäß einen entstandenen Schaden? Bucht der Kunde bei mir oder nutzt er einen anderen Anbieter? Auch wenn diese Fragen so unterschiedlich sind, haben sie etwas gemeinsam: Die individuelle Zielerreichung hängt maßgeblich von der Entscheidung ihrer Kunden ab.

Was wir über Kaufentscheidungen wissen müssen

Wir alle sind davon überzeugt, dass wir unsere Entscheidungen frei treffen. Aber hat sich nicht jeder schon einmal die Frage gestellt, warum man das T-Shirt in der expliziten Farbe bestellt hat? Warum man genau das Handy gekauft hat, welches das direkte Umfeld ebenfalls besitzt? Das sind nur zwei Beispiele von ganz vielen. Und die Antwort auf die Frage ist ganz einfach: Wir treffen unsere Kaufentscheidungen überwiegend intuitiv und somit unbewusst.

Die Basis dafür sind wiederkehrende psychologische Muster. Ob ein Kunde im Ladengeschäft einkauft, einen Schaden wahrheitsgemäß meldet oder sich einen E-Scooter kurzfristig ausleiht, kann davon abhängen, wie dieser Fall dem Kunden von seiner Umwelt vorgelebt wird.

Kundenbefragungen – Doch nicht so sinnvoll?

Aber was hat dieses Wissen jetzt mit dem Unternehmenserfolg zu tun? Eine Methodik, auf die zurückgegriffen wird, um schlussendlich den Unternehmenserfolg zu steigern, ist die Durchführung einer Kundenbefragung. Denn zufriedene Kunden kaufen wieder bei einem ein und empfehlen das Unternehmen auch weiter. Befragungen helfen Erwartungen und Bedürfnisse der Kunden zu identifizieren, aber auch Situationen sichtbar zu machen, in denen diese nicht erfüllt wurden.

Allerdings ist eine Kundenbefragung, in der es z. B. um das »Warum« einer Bestellung oder Retournierung geht, oftmals nicht vielversprechend. Die Kunden haben keine wirkliche Antwort auf diese Frage, da sie viele Entscheidungen aufgrund von Emotionen aus dem Bauch heraus getroffen haben und somit unbewusst. Daher sind Kundenbefragungen nur an die bewussten Entscheidungsfaktoren adressiert und machen grade einmal 5 % aus. Das erklärt die oftmals wenig hilfreichen Erkenntnisse.

Kundenerlebnis 2.0: Spielerisch zum Erfolg

Unternehmen sind vielseitig und setzen bei der eigenen Zieldefinition unterschiedliche Schwerpunkte, die diese bewusst steuern können. Dafür lassen sich beispielsweise Spieldesignprinzipien – auch bekannt als Gamification – verwenden. In der Praxis findet man dafür einige Beispiele. Eins kommt z. B. aus dem Einzelhandel sowie der Gastronomie, die das Gesellschaftsspiel »Monopoly« als Anreiz für ihre Kunden nutzen. Gamification hat ein hohes Potenzial die intuitiven Entscheidungen und somit die psychologischen Muster zu verändern und ermöglicht daher die Gestaltung von überzeugenden Anreizmechanismen.

Aber wie ist das möglich? Gamification verknüpft Verhaltensänderung mit positivem emotionalem Feedback. Dabei kann Gamification sowohl die Einführung neuer Verhaltensmuster als auch die Veränderung von gewohntem Verhalten unterstützen. Verhaltensmuster sind in der Regel unbewusst und automatisiert, so dass traditionelle Anreizsysteme, wie z. B. Rabattcodes, häufig nur eine geringe Wirksamkeit aufweisen. Durch Vermittlung positiver Emotionen kann Gamification bestehende Gewohnheiten aufbrechen, sie durch neue Verhaltensweisen »aktualisieren« und die Stabilisierung von neuen Verhaltensweisen unterstützen, indem sie kontinuierlich stimuliert werden.

Folglich sollte die strategische Ausgestaltung der Customer Journey nicht nur auf z. B. Kundenbefragungen basieren, sondern es bedarf vielmehr ein verhaltensbasiertes Vorgehen. Dabei werden Kundenentscheidungen entlang von individuellen Customer Journeys systematisch erfasst und mittels Entscheidungsfaktoren optimiert.

Kreativität = Kundenentscheidung = Unternehmenserfolg

Gamification kann dabei unterstützen, dass Berührungspunkte mit dem Kunden so gestaltet werden, dass bestimmte Wahrnehmungen, Entscheidungen und Verhaltensweisen wahrscheinlicher werden. Häufig wird ein neues Produkt ganz klassisch auf Social Media, in Zeitschriften und in der Werbung beworben: »Produkt XYZ jetzt überall im Handel zu finden«. Aber warum nicht einmal anders? Hat Unternehmenserfolg nicht auch etwas mit Kreativität zu tun?

Der Kosmetik-Riese Estée Lauder hat sein neues Produkt »Advanced Night Repair« Serum gelauncht und dieses nicht wie sonst über die typischen Werbe-Disclaimer beworben. Estée Lauder hat für das Serum eine Website entworfen, auf der die Kunden das Produkt interaktiv und auf spielerische Weise entdecken können. Auf der Seite sind neben der Produktvorstellung mehrere retroartige Minispiele zu finden, um den Kunden in den Verjüngungsprozess durch die Gesichtspflege mitzunehmen.

Diese Art von Produktvorstellung schafft ein gänzlich neues Potential für Verkaufsgespräche und zeigt, dass auch konventionelle Produkte mit Hilfe von Gamification beworben werden können. Daneben hat Estée Lauder es geschafft, durch den unkonventionellen Weg der Produktvorstellung das eigene Branding sowie Image zu stärken.

3 Schritte zur strategischen Customer Journey

Aber jetzt erstmal den ersten Schritt vor dem zweiten Schritt gehen. Es ist nicht erfolgsversprechend ohne Vorarbeit einfach ein Produkt in einer anderen Art und Weise zu bewerben. Zuerst sollte jedes Unternehmen die strategische Optimierung von Customer Journeys auf Basis der drei folgenden Ebenen als iterativer Prozess strukturieren.

  1. Individuelle Unternehmensziele definieren und messen

    Aus der vorhandenen Unternehmensstrategie werden konkrete sowie möglichst kontinuierlich messbare Ziele abgeleitet, die dann den einzelnen Phasen der Customer Journey zugeordnet werden.
    Was heißt das jetzt konkret? Hier ein Beispiel: Ein Großhändler für tiefgefrorene Lebensmittel definiert als Ziel, eine Erhöhung der Kundenanzahl, die ihre Bestellung online durchführen und nicht über die Hotline. Diesem Ziel ist die Kundenzufriedenheit und damit die Verringerungen der Kündigungen übergeordnet. Warum das? Durch die online Bestellung ist der Kunde nicht mehr unzufrieden, da er nicht mehr an die Zeiten der Hotline gebunden ist, sondern er kann 24/7 seine Bestellung aufgeben.
    Um sicherzustellen, dass die Journey-Optimierung tatsächlich im Sinne der Zielerreichung wirkt, ist es wichtig, kontinuierlich die jeweilige Zielerreichung zu messen.

  2. Kunden segmentieren und Entscheidungssituationen definieren

    Klickt der Kunde auf das Werbebanner oder ignoriert er es? Gibt der Kunde nach seinem Kauf und Erhalt der Ware eine Bewertung ab? Um die relevanten Kundenentscheidungen zu identifizieren, ist es im ersten Schritt sinnvoll, zwischen Kundensegmenten zu differenzieren.
    Dabei ist zu ermitteln, welche Kundengruppen welchen Einfluss auf die Zielerreichung haben. Für diese Ermittlung ist eine Kombination von Marktforschung und Bestandskundenanalyse sinnvoll. Wenn ein Unternehmen an der Optimierung einzelner Kunden-Touchpoints arbeiten will, muss es zuerst Kundensegmente bilden und diese dann mit datenbasierten Personas beschreiben. So können im Anschluss individuelle Entscheidungssituationen unterschieden werden.
    Um diese Entscheidungen nun systematisch optimieren zu können, müssen die Kundenentscheidungen je Segment kontinuierlich erfasst werden.

  3. Basis für eine Entscheidungsanalyse festlegen und Optimierung der Journey vornehmen

    Nun werden die Entscheidungssituationen genau analysiert: Wie wird der Kunde in seiner Entscheidung beeinflusst und wie kann dieses gesteuert werden? Ein einfaches Beispiel dafür ist ein Werbebanner. Ein Anbieter hat herausgefunden, dass dieser von seinen Kunden nicht wahrgenommen wurde. Grund dafür war, dass sich dieser nicht ausreichend vom Hintergrund abgehoben hatte. Daher wurde der Banner angepasst und zusätzlich ein Bild von einem Menschen eingebaut, der einen direkt anschaut. Diese Optimierung führte zur Wirksamkeit des Banners.

Customer Experience Management: Einklang der Interessen des Kunden und des Unternehmens

Wir halten fest, dass wir unseren Kunden mit seinen Bedürfnissen und Erwartungen in den Mittelpunkt stellen wollen. Aber laufen wir nicht Gefahr, genau das aus den Augen zu verlieren, wenn wir die Kundeninteraktionen nach den individuellen Unternehmenszielen optimieren? Die Antwort auf diese Frage ist ein klares »Ja«, die Gefahr besteht. Dies kann auftreten, wenn die Unternehmensziele nicht mittel- bzw. langfristig formuliert wurden, denn Unternehmen können nur erfolgreich sein, wenn die Interessen der Kunden ehrlich und eindeutig im Vordergrund stehen. Somit führt kein Weg daran vorbei, die Kundeninteressen in den Unternehmenszielen fest zu verankern.

Das bedeutet auch, dass ein Kaufprozess nicht beendet ist, sobald der Kunde den »Kauf-Button« gedrückt hat bzw. die Ware geliefert wurde. Vor allem nicht, wenn man sich der Tatsache bewusst wird, dass die Bestandskundenpflege im Vergleich zur Neukundenakquise den erheblich besseren »Return on Marketing Investment« aufweist. Somit sollte der erste Kauf eines Kunden immer als Startpunkt für eine langfristige Kundenbeziehung fungieren. Diese Kundenbindungsphase beinhaltet zwei Abschnitte: Wichtig ist die Zufriedenheit des Kunden mit der gesamten Kaufabwicklung sowie der gekauften Ware. Ist der Kunde zufrieden, besteht die beste Chance, den Kunden langfristig zu binden und eine Kundenloyalität aufzubauen.

Experience Management: Der Dreh- und Angelpunkt für den Unternehmenserfolg

Unternehmen, die verstanden und verinnerlicht haben, dass vor allem die unbewussten Kundenentscheidungen der Schlüssel zum Erfolg sind, wandeln sich zwangsläufig in ihren Prozessen sowie der Organisation. Dabei ist es wichtig, über alle Organisationseinheiten wie Marketing, Produktion, Vertrieb und IT an einem gemeinsamen Ziel zu arbeiten. Das macht Ihr Unternehmen zukünftig noch erfolgreicher und stellt den Kunden stärker als bislang in das Zentrum der Aufmerksamkeit.

Auf diesem Weg wollen wir Sie gerne unterstützen!

 

 

PS:

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Zudem möchte ich Ihnen diesen Workshop ans Herz legen: Customer Journey Mapping Workshop – Kundenzentrierung in der Praxis. Damit erhalten Sie eine optimale Grundlage für den Aufbau eines nachhaltigen Customer Experience Management Prozesses in Ihrem Unternehmen.

 

 

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